Das Wachstum setzt sich fort
Die Weltwirtschaft weist auch zu Beginn des Jahrs 2006 ein relativ hohes Wachstumstempo auf, nachdem sie bereits im vergangenen Jahr deutlich expandiert hatte. Im Verlauf von 2006 und 2007 wird sich diese Dynamik jedoch abschwächen. Dies geht aus der Frühjahrsprognose für 2006 und 2007 der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF)
Das internationale Umfeld
Die konjunkturelle Entwicklung in der EU wird im laufenden Jahr voraussichtlich durch Vorzieheffekte auf Grund der Mehrwertsteuer-Erhöhung in Deutschland Anfang 2007 beeinflusst. Die asiatischen Volkswirtschaften dürften insgesamt ebenfalls etwas langsamer wachsen als im vergangenen Jahr. In Japan ist der Aufschwung nun zwar breit abgestützt, die schwächer werdenden Impulse aus den USA machen sich aber trotzdem bemerkbar - wie generell im asiatischen Raum. In China dürfte die von der Regierung beabsichtigte Förderung des ländlichen Raums die private Konsum- und Importnachfrage stärken. Auch in anderen Regionen, wie in Lateinamerika oder Russland, gewinnt die inländische Nachfrage an Bedeutung. Ölpreis bleibt hoch
Der Erdölpreis ist auch im vergangenen Jahr unter starken Schwankungen kräftig angestiegen. An den internationalen Rohölma_rkten halten sich aus Sicht der KOF die Auf- und Abwärtsrisiken etwa die Waage, so dass für die Prognose erneut ein konstanter Ölpreis (60 US-Dollar pro Barrel Nordsee-Brent) angenommen wird. Der energiebedingte Preisauftrieb klingt dementsprechend ab, und die Inflationserwartungen bleiben relativ niedrig. Die Renditen langfristiger Staatsanleihen erhöhen sich daher relativ moderat.
Wirtschaftliche Entwicklung in der Schweiz bis 2007
Im Prognosezeitraum der Jahre 2006 und 2007 setzt sich die binnenwirtschaftlich gestützte konjunkturelle Erholung fort, die 2005 eingesetzt hat. Dabei kommtes allerdings zu gewissen Verschiebungen zwischen den binnenwirtschaftlichen Nachfragekomponenten. Die Wachstumsimpulse seitens der Bauwirtschaft laufen aus, zunehmende Wachstumsbeiträge liefern stattdessen die Ausrüstungsinvestitionen. Der Zuwachs beim privaten Konsum bleibt hoch und festigt sich sogar noch. Dies bedingt zunehmende Importe, unter anderen auch deshalb, weil sich der Lagerabbau nicht im zuletzt beobachteten Ausmass fortsetzen kann. Der Staatskonsum bleibt schwach, und die Exporte wachsen durchwegs schwächer als die Importe, wodurch sich der Handelsbilanzüberschuss verringert.
Nur leicht höhere Beschäftigung zu erwarten
Vom Anstieg der Nachfrage profitieren in hohem Masse die Industrie und die meisten Dienstleistungsbranchen, so dass das Bruttoinlandprodukt in diesem Jahr um 2,1 Prozent und im nächsten Jahr um 1,9 Prozent zunehmen wird. Dies führt zu einer leicht höheren Beschäftigung. Da das Arbeitsangebot aber weiter zunimmt, kommt es zu einer nur schwachen Reduktion der Arbeitslosigkeit.
Privater Konsum steigt stetig an
Die Verlaufswachstumsraten des privaten Konsums steigen fast bis zum Ende des Prognosehorizonts kontinuierlich an und erreichen in der Spitze an die 2 Prozent. Der private Konsum wächst sowohl 2006 als auch 2007 um beinahe einen halben Prozentpunkt mehr als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre, was das gegenwärtig aussergewöhnlich gute Konsumklima unterstreicht. Die für die privaten Konsumentscheidungen besonders relevanten Arbeitnehmereinkommen steigen im Prognosezeitraum im selben Ausmass wie 2005, also nominell um zirka 3 Prozent. Weil - anders als noch 2005 - die Abschöpfungsquote deutlich sinkt und auch die Inflationsrate zurückgeht, übersteigt der Einkommenszuwachs im laufenden und im nächsten Jahr das nominelle Konsumwachstum, so dass die Sparquote wieder ansteigt.
Kräftigste Teuerungsimpulse liefern Wohnungsmieten
Auch wenn die Teuerungsraten derzeit noch stark unter dem Einfluss der volatilen Energiepreisentwicklung stehen, wird das Konsumgüterpreisniveau in diesem und im nächsten Jahr insgesamt nur wenig ansteigen. Unter der Annahme eines konstanten Rohölpreises sowie eines leicht festeren Frankens dürfte die durchschnittliche Jahresteuerung 2006 auf 0,9 Prozent und im Folgejahr auf 0,6 Prozent sinken. Während bei den Waren weiterhin mit insgesamt rückläufigen Preisen gerechnet werden kann, verteuern sich die Dienstleistungen - allerdings angesichts einer moderaten Lohnentwicklung nur leicht. Den kräftigsten Teuerungsimpuls werden im Prognosezeitraum die Wohnungsmieten liefern.
Die Zinsen steigen weiter an
Obwohl die KOF-Kernteuerung bis 2007 lediglich auf rund 0,5 Prozent ansteigt, wird die Schweizerische Nationalbank die Geldmarktzinsen weiter anheben. Dabei dürfte sie am bestehenden Rhythmus festhalten und das Zielband für den Dreimonats-Libor an ihren vierteljährlichen Sitzungen um jeweils 25 Basispunkte heraufsetzen. Für Ende 2006 wird ein Zielsatz von 2 Prozent erwartet. Der kurzfristige Realzinssatz wird im Prognosezeitraum ebenfalls ansteigen, und zwar auf rund 1,5 Prozent. An den internationalen Obligationenmärkten haben sich die Renditen mittlerweile erhöht, was sich im laufenden Jahr fortsetzen wird.
Aufwertung des Franakens ab Mitte 2006
Die Differenz der Langfristzinsen zwischen der Schweiz und dem Euro-Raum dürfte sich dabei über den gesamten Prognosezeitraum wenig ändern. Die Rendite eidgenössischer Obligationen steigt bis Anfang 2007 auf 2,7 Prozent und verharrt dann auf diesem Niveau. Ab Mitte dieses Jahres ist wieder mit einer Aufwertung des derzeit eher tief bewerteten Frankens zu rechnen, da sich der Zinsnachteil für die Schweizer Währung allmählich verringert. Ende 2007 dürfte der Wechselkurs gegenüber dem Euro bei etwa 1,53CHF/EUR liegen. Den deutlichsten Wertzuwachs wird der Franken allerdings gegenüber dem US-Dollar erzielen.
Wenig Wachstumsimpulse vom Staat
Wie schon im Vorjahr, trägt der Staatsverbrauch auch im laufenden Jahr praktisch nichts zum Wirtschaftswachstum bei. Für den Bund kann damit gerechnet werden, dass der budgetierte Betrag für die öffentlichen Konsumausgaben auch in diesem Jahr unterschritten wird; und für 2007 ist eine weitere Abnahme vorgesehen. Die Voranschläge der Kantone sehen für 2006 in etwa stagnierende Konsumausgaben vor. Für die Gemeinden ist von einem mässigen Anstieg auszugehen. Nächstes Jahr dürfte die 2006 wieder verbesserte Finanzlage sowohl bei den Kantonen als auch bei den Gemeinden zu einer moderaten Ausgabenbeschleunigung führen. 2007 fällt dann die Zunahme des öffentlichen Konsums mit 1,7 Prozent wieder ungefähr so aus wie im Durchschnitt der Jahre 2002 bis 2004.
Staatseinnahmen wachsen um rund 3 Prozent
Die öffentlichen Budgets sind auf aggregierter Ebene im Prognosezeitraum so gut wie ausgeglichen. Der Fiskalimpuls wirkt 2006 etwas weniger restriktiv als im Jahr zuvor. 2007 ist die Fiskalpolitik praktisch konjunkturneutral. Die Staatseinnahmen wachsen etwas schwächer als 2005, erreichen aber immer noch rund dreiprozentige Zuwachsraten, obwohl die bessere Finanzlage 2007 wieder verstärkt zu Steuersatzreduktionen führen wird. Die Ausgaben hingegen wachsen 2006 auf Grund der beschlossenen Kürzungsprogramme nur halb so stark wie die Einnahmen. Für 2007 ist in Anbetracht der Ru_ckführung der Defizite und des anhaltenden Einnahmenwachstums wieder mit einem beschleunigten Ausgabenanstieg zu rechnen. Die Staatsquote reduziert sich 2006 nochmals und bleibt im Jahr darauf stabil. Im konsolidierten Total von Staat und Sozialversicherungen nimmt das Defizit 2006 auf 700 Mio.Franken ab. 2007 resultiert ein leichter Überschuss von gut 100 Mio. Franken.
Baujonjunktur schwächt sich ab
Die Baukonjunktur verliert im Prognosezeitraum allmählich an Schwung. Die Wohnbauinvestitionen werden angesichts leicht steigender Zinsen und erster Anzeichen eines möglichen Überangebots im Eigentumssegment in diesem Jahr nur noch moderat wachsen und in der Folge wieder sinken. Der Impuls von den zurzeit regen Aktivitäten im Wirtschaftsbau reicht nicht aus, die schwächer werdende Nachfrage im Wohnungsbau zu kompensieren. Die Investitionen in grosse Infrastrukturprojekte, die der Bauwirtschaft in der zweiten Jahreshälfte 2005 noch kräftige Wachstumsimpulse verliehen hatten, leiden unter den anhaltenden Budgetkürzungen. Das Ende der Wachstumsphase in der Bauwirtschaft dürfte im 3. Quartal 2006 erreicht werden.
Ausrüstungsinvestitionen geben neue Impulse
Waren in den vergangenen beiden Jahren Wachstumsimpulse von den Bauinvestitionen ausgegangen, so übernehmen im Prognosezeitraum die Ausrüstungsinvestitionen die Rolle des wirtschaftlichen Impulsgebers. Die steigende Gesamtnachfrage erfordert eine Ausweitung der Produktion. Dies auch deshalb, weil die Lagerbestände der Unternehmen an Fertigprodukten in den vergangenen Jahren abgebaut worden sind und eine Bedienung der Nachfrage aus den knapper gewordenen Lagerbeständen immer weniger möglich ist. Die höhere Produktion hat bei den Unternehmen eine bessere Auslastung der technischen Produktionskapazitäten zur Folge. Sie sind unter diesen Bedingungen vermehrt bereit, Erweiterungsinvestitionen zu tätigen. Zudem ist auf Grund der Entwicklung der Faktorpreise mitvermehrten Rationalisierungsinvestitionen zu rechnen. Während die Nominallöhne 2006 und 2007 ansteigen, werden die Ausrüstungsgüter billiger.
Der Einsatz des Faktors Arbeit verteuert sich im Vergleich zum Sachkapital. Daraus ergibt sich ein gewisser Rationalisierungsdruck. Auf Grund dieser Erwägungen ist im Prognosezeitraum sowohl im Verlauf als auch im Vorjahresvergleich mit etwa fünfprozentigen Wachstumsraten der Ausrüstungsinvestitionen zu rechnen.
Importe nehmen kräftig zu
Auch im Prognosezeitraum wird die steigende inländische Endnachfrage nicht nur aus vermehrter Inlandsproduktion und durch Lagerabbau, sondern auch durch Importsteigerungen befriedigt. Die gesamten Warenimporte nehmen 2006 und 2007 um 6,9 Prozent bzw. 3,7 Prozent zu. Im Prognosezeitraum werden wieder deutlich mehr Dienstleistungen aus dem Ausland bezogen. Von diesen wachsen die Konsumausgaben der Schweizer im Ausland moderat im Vergleich zu den «übrigen Dienstleistungen», die Ausgaben für Lizenzen und Patente, Transport-, Bank- und Versicherungsdienstleistungen umfassen. Während die Warenausfuhren im laufenden Jahr im selben Umfang wie 2005 zulegen können, sinkt ihre Wachstumsrate im nächsten Jahr auf 2,9 Prozent ab. Das liegt daran, dass sich die Weltwirtschaft 2007 weniger dynamisch entwickelt. Für die Dienstleistungsexporte wird ebenfalls mit einer nachlassenden Dynamik gerechnet. Auch angebotsseitig betrachtet, bestätigt sich der Eindruck eines breit abgestützten Wirtschaftswachstums in der Prognoseperiode.
Arbeitsproduktivität nimmt nur gering zu
Die Industrie profitiert von weiterhin expandierenden Warenexporten sowie vom deutlichen Anstieg des Konsums der privaten Haushalte. Etwas ungünstiger präsentieren sich die Aussichten im Bausektor, da die Bauinvestitionen im nächsten Jahr zurückgehen. Die wichtigsten Impulse kommen in der Prognoseperiode aus dem Dienstleistungsbereich - und nicht nur von eher konjunkturunabhängigen Wirtschaftszweigen wie dem Gesundheitswesen. Auch für den Detailhandel und das Gastgewerbe verbessert sich die Lage auf Grund der erfreulichen Entwicklung des Konsums der privaten Haushalte und der ausländischen Touristen. Nachdem der Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Produktion in der ersten Jahreshälfte 2005 noch mit einer Steigerung der Arbeitsproduktivität bewältigt werden konnte, begannen die Unternehmen Mitte 2005, ihren Personalbestand zu erhöhen, weil sie sich auf eine anhaltende Produktionszunahme einstellten. Der Beschäftigungsanstieg hatte zur Folge, dass die Arbeitsproduktivität in geringerem Ausmass zunahm. Diese Entwicklung wird sich im Prognosezeitraum weitgehend fortsetzen.
Höhere Gewinn trotz höherer Lohnstückkosten
Der Nominallohnsatz steigt 2007 stärker als die Arbeitsproduktivität. Dementsprechend erhöhen sich die Lohnstückkosten. Dieser Kostendruck kann von den Unternehmen nicht vollumfänglich auf die Preise überwälzt werden. Die Margen nehmen etwas ab. Auf Grund des höheren mengenmässigen Absatzes resultieren aber dennoch höhere Gewinne. Der so genannte Bruttobetriebsüberschuss - als gesamtwirtschaftliches Mass für die Unternehmensgewinne - steigt im laufenden Jahr nominal um 1,1 Prozent und im nächsten Jahr um 2 Prozent. Der Arbeitsmarkt profitiert im Prognosezeitraum vom überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum.
Prognostizierte Arbeitslosenquote zu optimistisch
Der Beschäftigungsanstieg reicht aber nicht ganz für eine Kompensation des ebenfalls zunehmenden Arbeitsangebots aus, so dass das Arbeitsmarktungleichgewicht weiter zunimmt. Da aber auch mit einem weiteren Rückgang der Erwerbsquote sowie einer weiterhin hohen Zahl von Aussteuerungen gerechnet werden muss, nehmen die Zahl der Stellensuchenden sowie die Zahl der eingeschriebenen Arbeitslosen ab. Die prognostizierte Arbeitslosenquote vermittelt darum ein eher zu optimistisches Bild der tatsächlichen Arbeitsmarktverfassung.
Links
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(KOF/ETH)
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