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Starker Anstieg der Krankenkassenprämien 2023 erwartet
publiziert: Dienstag, 2. Aug 2022 / 22:28 Uhr
Im Jahr der Corona-Pandemie wurden die Gesundheitskosten offenbar unterschätzt.
Die Krankenkassenprämien könnten 2023 um ungefähr 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen. Einige Versicherte müssen sogar mit einem Prämienanstieg um 10 Prozent rechnen. Im Jahr der Corona-Pandemie wurden die Gesundheitskosten offenbar unterschätzt. Ein weiterer Grund für die steigenden Prämien ist ein Abbau der Krankenkassenreserven.
Massive Prämienerhöhung für 2023 befürchtet
Im Herbst 2021 gab es für viele Versicherte gute Nachrichten. Nach vielen Jahren sind die Prämien für die Krankenkassen erstmals wieder gesunken. Der Anstieg in den Jahren zuvor war moderat. Verena Nold, Direktorin des Krankenkassenverbands Santésuisse, rechnet sogar mit Prämienerhöhungen im zweistelligen Bereich. Vor 20 Jahren wurden die Prämien das letzte Mal um mehr als 10 Prozent erhöht.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) äussert sich nicht direkt zum erwarteten Prämienanstieg, doch bestätigt es, dass ein Anstieg grundsätzlich möglich ist. In der Tagesschau schreibt das BAG, dass die Kosten für 2021 über den Schätzungen der Versicherer lagen. Steigen die Kosten weiter an, würde das mit einem Anstieg der Prämien verbunden sein. Krankenkassenportale wie krankenkassencheck.ch berichteten ebenfalls über die steigenden Krankenkassenprämien 2023.
Nachhol-Effekt nach der Corona-Pandemie
Die Steigerung der Krankenkassenprämien 2023 könnte teilweise in einem Nachhol-Effekt aufgrund der Corona-Pandemie begründet sein. Viele Operationen wurden während der Pandemie verschoben, um Infektionen zu vermeiden und Betten für Corona-Patienten freizuhalten. Viele Patienten sind auch nicht in die Sprechstunden gegangen und haben Vorsorge-Untersuchungen vermieden, um sich nicht zu infizieren. Diese Patienten holen jetzt Untersuchungen und Behandlungen nach, was für 2022 zu höheren Kosten führen könnte. Die psychische Belastung durch die Corona-Pandemie ist nicht zu unterschätzen. Erst jetzt konsultierten viele junge Erwachsene Psychologen und Ärzte, um sich aufgrund der psychischen Belastung behandeln zu lassen.
Kosten für 2021 zu tief geschätzt
Die Corona-Pandemie, aber auch verschiedene andere Faktoren führten dazu, dass die Kosten für die Krankenkassen für 2021 zu niedrig geschätzt wurden, wie auch Mitglieder der nationalrätlichen Gesundheitskommission bestätigen. Barbara Gysi, SP-Gesundheitspolitikerin, ist der Meinung, dass ein starker Anstieg der Prämien für 2023 zu befürchten ist. Ein Grund dafür sind die gestiegenen Kosten.
Lorenz Hess, Verwaltungsrats-Präsident der Visana-Krankenkasse und Mitte-Politiker, sieht die Gründe für den zu erwartenden Prämienanstieg in einer Unsicherheit über die Auswirkungen des ersten Corona-Jahres. Viele Experten haben mit geringeren Kosten gerechnet, aber dann festgestellt, dass der Anstieg so hoch wie in den vergangenen Jahren ausfiel. Das war auch im zweiten Corona-Jahr festzustellen.
Geringe Prämienerhöhungen 2020 und 2021
SVP-Nationalrat Albert Rösti, Präsident der Gesundheitskommission, sieht in den geringen Prämienerhöhungen in den Jahren 2020 und 2021 einen Grund für die starken Steigerungen 2023. Da viele Eingriffe zurückgestellt wurden, glaubten einige Experten, dass es weniger kosten würde. Reserven wurden aber auch aufgebraucht. Rösti ist der Ansicht, dass das Wachstum der Kosten mit dem in den Vorjahren vergleichbar ist.
Abbau von Reserven bei den Krankenkassen
Ein Nachholeffekt ergibt sich auch aufgrund des Abbaus der Reserven bei den Krankenkassen. Die Prämien wurden in den letzten Jahren weniger stark erhöht als ein Anstieg der Gesundheitskosten zu verzeichnen war. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ordnete einen geringen Prämienanstieg an, um die angehäuften Kapitalreserven bei den Krankenkassen abzubauen. Mit dem Abbau der Reserven sollte der stetige Anstieg der Prämien abgefedert werden. Das ist nur über eine begrenzte Zeit möglich. Die Prämien müssen danach auf das neue Kostenniveau angehoben werden. Der Gesundheitsexperte beim Vergleichsdienst Comparis, Felix Schneuwly, vergleicht das mit einem Bankkonto, von dem höhere Abhebungen getätigt werden als Geld eingeht. Auf ähnliche Weise können sich die Finanzexperten bei den Krankenkassen ausrechnen, dass die Reserven irgendwann aufgebraucht sind.
Anstieg von 5 Prozent ist moderat
Ein Anstieg der Krankenkassenprämien um 5 Prozent für 2023 wird als moderat betrachtet. In einigen Jahren mussten die Prämien auch schon um mehr als durchschnittlich 5 Prozent angehoben werden. Wie Felix Schneuwly betont, war das Niveau der Prämien in den früheren Jahren deutlich tiefer. Gemessen in absoluten Franken bedeutete das eine weniger starke Prämienerhöhung. Lag eine Prämie früher bei 200 Franken, entsprach eine Erhöhung um 8 Prozent einem Betrag von 16 Franken. Liegt eine Prämie jetzt bei 400 Euro und wird sie um 5 Prozent erhöht, so sind das Mehrausgaben von 20 Franken.
Grundlage für die Prognose von 5 Prozent
Der Vergleichsdienst Comparis berücksichtigte für seine Prognose zur Prämienentwicklung die Entwicklung der Gesundheitskosten in den vergangenen Jahren und die zu erwartenden Erträge am Kapitalmarkt. Die Krankenkassen haben ihre Reserven am Kapitalmarkt angelegt. Die wirtschaftliche Gesamtentwicklung im Jahresverlauf kann zu einem grösseren Zuwachs oder einem Verlust führen. Im laufenden Jahr ist aufgrund der unsicheren weltwirtschaftlichen Lageentwicklung kaum mit Gewinnen an den Kapitalmärkten zu rechnen. Gründe dafür sind die Folgen der Pandemie und der Ukraine-Krieg.
Initiativen gegen steigende Prämien
Die SP spricht sich für eine Prämien-Entlastungs-Initiative aus. Kein Haushalt soll demnach von seinem verfügbaren Einkommen mehr als 10 Prozent als Prämie für die Krankenkasse zahlen. In allen Kantonen soll auch künftig ein Anspruch auf Prämienverbilligungen gelten.
Die Mitte-Partei denkt an eine Kostenbremse-Initiative. Bundesrat, Bundesverwaltung und Kantone müssen bei einer starken Steigerung der Gesundheitskosten im Vergleich zur Lohnentwicklung eingreifen. Die Partei will damit das Prämienwachstum verhindern.
Rezepte für die aktuelle Situation
Für die aktuelle Situation erfordert Santésuisse-Direktorin Nold noch weitere Rezepte, um die Belastung für die Versicherten zu verringern. Denkbar ist eine Senkung der Labor-Preise, die dreimal so hoch wie im Ausland ist. Auch die Medikamentenpreise könnten auf europäisches Niveau gesenkt werden.
(fest/pd)
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