Freitag, 1. Mai 2009 16:26 Uhr
http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/n/4602/7629/d_n_4602_7629_7806.h...Nationalrat - Frühjahrssession 2000 - Erste Sitzung - 06.03.00-14h30
Conseil national - Session de printemps 2000 - Première séance - 06.03.00-14h30
98.3480 Motion Strahm Rudolf.
Eigenmittelvorschriften
zur Abdeckung der Systemrisiken bei global tätigen Banken Motion Strahm Rudolf.
Einreichungsdatum 08.10.98 und Interpellation Schmid Samuel
(Kaufmann Hans).
Faktische Garantenpflicht der Eidgenossenschaft für Grossbanken
Strahm Rudolf (S, BE): Es ist in der Tat so, dass Herr Schmid Samuel - jetzt Ständerat Schmid - mit seiner Interpellation eigentlich das gleiche Problem wie ich mit meiner Motion anvisiert hat, obschon die Titel völlig unterschiedlich lauten. Beide Vorstösse drehen sich um folgendes Problem: Wir haben mit den internationalen Verflechtungen des Bankensystems immer grössere Risiken, und zwar so genannte "systemische Risiken". "Systemische Risiken" würde ich als Risiken definieren, die der Volkswirtschaft durch das gleich gerichtete Fehlverhalten von Banken entstehen. Das heisst, dass sich alle Banken gleich verhalten und so die ganze Volkswirtschaft in die Krise reissen, wenn irgendein Finanzkollaps oder irgendeine schockartige Entwicklung der Währungs- oder Finanzmärkte vor sich geht. Wir haben das bei der Asienkrise festgestellt, wo mehrere Banken aufs Mal grosse Verluste eingefahren haben.
Ich würde behaupten, dass bei uns faktisch der Staat - konkret die Schweizerische Nationalbank - einer Grossbank unter die Arme greifen müsste, wenn eine solche illiquid oder insolvent würde. Das war in den Achtzigerjahren in den USA so, das war vor zwei Jahren in Japan so. Die Volkswirtschaft kann sich nicht mehr erlauben, eine Grossbank fallen zu lassen. Ich weiss, dass Herr Bundesrat Villiger das jetzt zu Recht wahrscheinlich offiziell in Abrede stellen wird - wahrscheinlich in Abrede stellen muss -, denn der Staat kann ja den Banken nicht versprechen, dass er Ihnen unter die Arme greifen will oder wird, weil wir dann ein "moral hazard"-Problem haben. Das "moral hazard"-Problem besteht darin, dass die Grossbanken Risiken eingehen, und zwar Grossrisiken, nur weil sie wissen, dass ihnen letztlich der Staat respektive der Internationale Währungsfonds mit öffentlichen Geldern unter die Arme greift.
Dieses Phänomen haben wir ganz deutlich in Asien gesehen. Aus den Diskussionen im amerikanischen Kongress wissen Sie, dass das auch dort ein Thema ist. Der Staat ist letztlich der Garant für die Grossbanken - nach dem Motto: "die Gewinne privat und die Kosten dem Staat".
Das ist das, was Ständerat Samuel Schmid mit seiner Interpellation als "Garantenpflicht des Staates" versteht. Ich spreche von Sozialisierung von Risiken durch eine de-facto-Staatsgarantie.
Nun haben wir die schwierige Situation, dass, obschon die Risiken bei den internationalen Finanzmärkten zunehmen, die Grossbanken ihre Eigenmittel gesenkt haben, weil verminderte Eigenmittel bei der Berechnung des "return on equity" die Eigenkapitalrendite erhöhen. Man will eine möglichst hohe Eigenkapitalrendite. Deswegen will man möglichst wenig Eigenmittel in der Kasse. Wir stehen also vor der absurden Situation: Je grösser die Risiken im internationalen Bankgeschäft, desto weniger Eigenmittel, desto weniger Bonität in der Bank selber.
Mit meiner Motion möchte ich, dass die Schweiz über die Minimalstandards des Basler Ausschusses hinausgeht. Der Basler Ausschuss ist bekanntlich eine Behörde im Rahmen der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die nicht bindend Empfehlungen abgibt. Ich möchte, dass die Schweiz über die Mindeststandards des Basler Ausschusses hinausgeht.
In der Frage der Bankenrisiken sind wir ein Sonderfall, weil wir nämlich im Vergleich zur kleinen Volkswirtschaft mit den Grossbanken eine überdimensionierte Finanzmaschinerie haben. Wir finden, es würde sich lohnen, die Eigenmittelvorschriften vor allem für die grossen Banken, für die international tätigen Banken zu verschärfen.
Ich entnehme der Antwort des Bundesrates, dass er die Motion als Postulat entgegennehmen will. Ich entnehme ihr auch und weiss es aus in der WAK erhaltenen Informationen, dass der Bundesrat bereit ist, das Problem wenigstens anzugehen. Ich möchte Ihnen danken, dass Sie das jetzt nicht bis zur nächsten Krise schlittern lassen - vielleicht ist es nicht die Asienkrise, sondern die Russlandkrise oder die Südamerikakrise oder vielleicht eine Derivatgeschäftskrise.
Ich glaube aber, Herr Bundesrat, wir brauchen eine Änderung der Philosophie. Wir können es uns nicht leisten, uns die Mindeststandards der Eigenmittelvorschriften des Basler Ausschusses einfach zu eigen zu machen und zu sagen, das sei jetzt der internationale Standard. Ich glaube, es ist im Interesse der Volkswirtschaft, dass diese Eigenmittel erhöht werden, dass wir nicht einfach nach dem Motto weiterfahren: "die Gewinne privat, und die Kosten werden einfach dem Staat überbunden."
In dem Sinne bitte ich Sie, wenigstens das Postulat zu überweisen. Ich glaube, das ist auch der Sinn der Interpellation Schmid Samuel gewesen.
Ich erwarte, Herr Bundesrat Villiger, dass wir aufgrund der eingesetzten Expertenkommission von Ihnen auch eine Gesetzesänderung vorgeschlagen erhalten.
Villiger Kaspar, Bundesrat: Die Fragen, die hier aufgeworfen worden sind, beschäftigen den Bundesrat intensiv. Sie beschäftigen auch mich, es sind legitime Fragen. Ich werde etwas zu den einzelnen Punkten sagen und im Laufe meiner Ausführungen auf die besonderen Fragen, die aufgeworfen worden sind, besonders eingehen.
Zur Frage, ob man von Staates wegen eine Bank retten muss, wenn sie ins Torkeln kommt: In einer Marktwirtschaft darf unternehmerisches Scheitern nicht zu einer staatlichen Intervention führen. Das gilt auch beim Scheitern einer Bank. Keine private Bank - sei sie noch so gross und ihre Wettbewerbsstellung noch so bedeutend - darf auf staatliche Rettungsaktionen vertrauen. Das ist das Problem des "moral hazard"; Herr Strahm hat das zu Recht angeführt. Staatliche Absicherung für Private kann falsche Anreize schaffen, und zwar dahingehend, dass unternehmerische Risiken auf Gemeinwesen abgewälzt werden. In einem marktwirtschaftlichen System sind Verluste eines Bankenzusammenbruches von den Eigentümern und allenfalls von den Gläubigern zu tragen; es ist systemfremd, diese Verluste der Allgemeinheit aufzubürden. Eine Intervention und eine finanzielle Unterstützung vonseiten des Gemeinwesens könnte höchstens dann diskutiert werden, wenn es nicht um den Einzelfall einer überschuldeten Bank ginge, sondern um erhebliche Risiken für das System als Ganzes, und wenn die volkswirtschaftlichen Kosten einer Liquidation diejenigen einer staatlichen Unterstützung überstiegen; doch das müsste schon sehr sorgsam abgewogen werden. Es ist nur im Einzelfall möglich, so etwas überhaupt zu beurteilen. Aber der Grundsatz, wonach keine Bank "too big to fail" ist, ist sehr, sehr wichtig.
Es stimmt übrigens auch nicht, wie man oft sagt, dass die Gewinne den Privaten und die Verluste der öffentlichen Hand zufallen würden. Alle diese Kredite, die aus Stabilisierungsgründen vom Währungsfonds usw. gewährt worden sind, sind meines Wissens entweder noch hängig oder zurückbezahlt, aber eigentliche Verluste sind hier ausser bei Umschuldungen bei sehr armen Ländern noch nicht eingetreten. Man muss also etwas aufpassen, wenn man das als Schlagwort braucht.
Villiger Kaspar, Bundesrat: Die Fragen, die hier aufgeworfen worden sind, beschäftigen den Bundesrat intensiv. Sie beschäftigen auch mich, es sind legitime Fragen. Ich werde etwas zu den einzelnen Punkten sagen und im Laufe meiner Ausführungen auf die besonderen Fragen, die aufgeworfen worden sind, besonders eingehen.
Zur Frage, ob man von Staates wegen eine Bank retten muss, wenn sie ins Torkeln kommt: In einer Marktwirtschaft darf unternehmerisches Scheitern nicht zu einer staatlichen Intervention führen. Das gilt auch beim Scheitern einer Bank. Keine private Bank - sei sie noch so gross und ihre Wettbewerbsstellung noch so bedeutend - darf auf staatliche Rettungsaktionen vertrauen. Das ist das Problem des "moral hazard"; Herr Strahm hat das zu Recht angeführt. Staatliche Absicherung für Private kann falsche Anreize schaffen, und zwar dahingehend, dass unternehmerische Risiken auf Gemeinwesen abgewälzt werden. In einem marktwirtschaftlichen System sind Verluste eines Bankenzusammenbruches von den Eigentümern und allenfalls von den Gläubigern zu tragen; es ist systemfremd, diese Verluste der Allgemeinheit aufzubürden. Eine Intervention und eine finanzielle Unterstützung vonseiten des Gemeinwesens könnte höchstens dann diskutiert werden, wenn es nicht um den Einzelfall einer überschuldeten Bank ginge, sondern um erhebliche Risiken für das System als Ganzes, und wenn die volkswirtschaftlichen Kosten einer Liquidation diejenigen einer staatlichen Unterstützung überstiegen; doch das müsste schon sehr sorgsam abgewogen werden. Es ist nur im Einzelfall möglich, so etwas überhaupt zu beurteilen. Aber der Grundsatz, wonach keine Bank "too big to fail" ist, ist sehr, sehr wichtig.
Es stimmt übrigens auch nicht, wie man oft sagt, dass die Gewinne den Privaten und die Verluste der öffentlichen Hand zufallen würden. Alle diese Kredite, die aus Stabilisierungsgründen vom Währungsfonds usw. gewährt worden sind, sind meines Wissens entweder noch hängig oder zurückbezahlt, aber eigentliche Verluste sind hier ausser bei Umschuldungen bei sehr armen Ländern noch nicht eingetreten. Man muss also etwas aufpassen, wenn man das als Schlagwort braucht.
Ohne weitern Kommentar, daher benötigt diese Beitrag auch keine braune Sauce aus Rüfi.
Allen anderen einen schönen 1. mai