Russlands Konzerne auf Einkaufstour im Westen

publiziert: Montag, 29. Mai 2006 / 08:52 Uhr / aktualisiert: Dienstag, 30. Mai 2006 / 06:48 Uhr

Moskau - Präsident Wladimir Putin gab die Strategie der russischen Wirtschaftspolitik in seiner Rede zur Lage der Nation vor. Das Land müsse sich auf den globalen Märkten positionieren und dabei stets den eigenen Vorteil vor Augen haben.

Das Druck- und Lockmittel Gasprom soll den Vormarsch in den Westen ebnen.
Das Druck- und Lockmittel Gasprom soll den Vormarsch in den Westen ebnen.
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Der Stahlbaron Alexej Mordaschow (SeverStal) machte gleich Nägel mit Köpfen und steigt als grösster Aktionär beim bedrängten luxemburgischen Branchenriesen Arcelor ein. Auch die zunehmend vom russischen Staat beherrschte Energiebranche drängt nach Westen.

Noch ist die Liste grösserer russischer Firmenübernahmen im Westen überschaubar: SeverStal kaufte vor der geplanten Fusion mit Arcelor den maroden US-Stahlkocher Rouge Steel sowie die italienische Lucchini-Gruppe. Der Ölkonzern Lukoil übernahm ein Tankstellennetz in den USA.

Im Telekombereich stieg die russische Alfa-Gruppe Ende 2005 für 2,5 Milliarden Euro beim türkischen Mobilfunker Turkcell ein. Der weltgrösste Förderer von Palladium und Nickel, die russische Norilsk Nickel, schluckte 2003 den US-Bergbaukonzern Stillwater Mining.

An Europa verdienen

Vor allem der von Putins Vertrautem Alexej Miller geführte Gasprom-Konzern lässt im Geschäft mit dem Ausland die Muskeln spielen. Das Ziel ist klar: Russland will am lukrativen Geschäft mit dem Endverbraucher in Europa mitverdienen.

Doch weil der Kreml die Wirtschaftspolitik zunehmend für sein Grossmachtstreben instrumentalisiert, hält sich die Begeisterung im Westen in Grenzen.

Die Briten liessen durchblicken, dass sie Gasprom ungern als Käufer des britischen Gasverteilers Centrica sähen. Auch beim deutschen Energiekonzern E.ON bemüht sich Gasprom bislang vergeblich um einen Einstieg bei den Versorgertöchtern.

Beim Verhandlungspoker haben die Russen aber einen Trumpf in der Hand. Gasprom lockt mit einer Beteiligung am Gasfeld Juschno-Russkoje, aus dem die neue Ostsee-Gaspipeline gespeist werden soll.

Die BASF-Tochter Wintershall ist bereits bei Juschno-Russkoje eingestiegen. Im Gegenzug wurde die Gasprom-Beteiligung am gemeinsamen europäischen Gashändler Wingas von 35 auf knapp 50 Prozent aufgestockt.

Lernfähig

In Russland hat man gelernt, mit den Begehrlichkeiten der Westeuropäer umzugehen. Weil E.ON sich weiter zierte, präsentierte man in Moskau eine Offerte des italienischen Versorgers Eni, der angeblich Gasprom an seinen Verteilernetzen in Europa beteiligen will.

Zur Not wird gedroht: Wiederholt kündigte Gasprom an, sich andere Absatzmärkte zu erschliessen. Auch der Ölpipeline-Monopolist Transneft tönte in Moskau, man habe die Europäer bislang mit «Öl überfüttert» und werde sich nun verstärkt den Chinesen zuwenden.

Grundsätzlich sind Fusionen und eine damit einhergehende Einbindung der russischen Industrie in die globale Wirtschaft gewollt. Doch der Staat schaut genau hin, wer wann mit wem fusionieren will.

Der Fall Chodorowski

Nur kremltreue Grossindustrielle dürfen mit der ausländischen Konkurrenz anbandeln, ohne das Schicksal von Michail Chodorkowski teilen zu müssen. Der einst reichste russische Geschäftsmann und Putin-Kritiker hatte vor einigen Jahren eine Fusion seines damaligen Ölkonzerns Jukos mit US-Konkurrenten angestrebt.

Doch bevor Chodorkowski in die entscheidenden Verkaufsverhandlungen einsteigen konnte, ging der Staat dazwischen. Chodorkowski wurde verhaftet und wegen Steuerhinterziehung und Betrugs zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

Legt man die nackten Zahlen zu Grunde, ist das russische Übernahmefieber im Ausland längst ausgebrochen. Im ersten Quartal 2006 investierte Russland 7,9 Mrd. Euro in andere Länder, knapp 60 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Ein Blick auf die Zielländer macht jedoch deutlich, dass viele «Investitionen» wohl eine getarnte Kapitalabwanderung sind. Denn die Hauptempfänger russischer Investitionen sind Zypern, die Bahamas und die Jungferninseln.

(Von Stefan Voss, dpa/sda)

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