Jeder zweite CEO wechselt unfreiwillig
Weltweit schieden 2005 mehr CEO aus als je zuvor: Fast jeder siebte CEO, exakt 15,3%, verliess seinen Posten. Seit 1995 stieg die Quote damit um 70%. In Europa sank die Zahl der Wechsel gegenüber dem Vorjahr zwar leicht, erreichte jedoch mit ebenfalls 15,3% den zweithöchsten Wert seit 1995.
Deutliche Zunahmen
Insgesamt haben sich Performance-bedingte Abgänge global damit von 1995 bis 2005 mehr als vervierfacht. Rechnet man die Merger-bedingte Fluktuation hinzu, so erfolgt weltweit rund jedes zweite Amtsende unfreiwillig, im deutschsprachigen Raum sind es sogar 69%.
Dies belegt eine Studie der international tätigen Strategie- und Technologieberatung Booz Allen Hamilton, die zum fünften Mal präsentiert wurde. Sie lässt einerseits Rückschlüsse auf Karrierewege von CEO zu und gibt zudem Hinweise, wie Unternehmen erfolgreich die Nachfolge an der Spitze regeln können.
Die neue Normalität
«Wesentliche Ursachen für die hohe Fluktuation liegen in Governance-Regelungen, die zunehmend greifen, sowie einer stärkeren Leistungsorientierung», erklärt Dr. Klaus-Peter Gushurst, Sprecher und Managing Partner von Booz Allen Hamilton für den deutschsprachigen Raum. Der Scheitelpunkt der Welle sei zwar überschritten, aber das sei kein Grund, sich zurück zu lehnen: «Die weltweite Fluktuationsquote pendelt sich in den nächsten Jahren bei 16% ein. Hiervon wird der performancebedingte Wechsel mindestens ein Drittel ausmachen. Das ist die neue Normalität», prognostiziert Gushurst und ergänzt: «Die Zeiten des Vorstandsvorsitzenden auf Lebenszeit sind endgültig vorbei.»
Konsolidierung beschleunigt Wechsel
Die CEO-Fluktuation divergiert in den unterschiedlichen Branchen. 2005 fanden im deutschsprachigen Raum in den Bereichen Telekommunikation (17%) und IT (16%) die meisten Veränderungen statt, gefolgt von Konsumgüter, Consumer Discretionary (Freizeit- und Reisegüter usw.) und Industrie (alle 11%). 2004 standen in den Branchen Industrie und Materials (beide 24%) die wackligsten Stühle. Diese Volatilität bildet die Dynamik in der Konsolidierung bestimmter Branchen ab.
«Insider» langfristig besser
Interessant ist eine Betrachtung der Performance der beiden Gruppen: «Outsider», also extern rekrutierte Vorstandsvorsitzende, versus «Insider», aus dem eigenen Unternehmen an die Spitze gelangte CEO. Booz Allen Hamilton untersucht hier die Leistung getrennt nach erster und zweiter Halbzeit der Amtszeit. Die Messgrösse: der Median des regional bereinigten jährlichen Total Shareholder Return aller untersuchten Jahre zwischen 1995 und 2005. Danach erreichen Outsider im Median 8,6%, Insider dagegen 2,2%. In der ersten Hälfte liegen damit die Outsider um 6,4 Prozentpunkte vorn.
Genau umgekehrt verhält es sich in der zweiten Halbzeit: Hier schlagen Insider die Outsider. «Externe werden oft an Bord geholt, um Unternehmen aus der Krise zu führen. Sie sind daher bestrebt, Investoren und Stakeholdern schnell Ergebnisse zu liefern. Auf lange Sicht zeigt sich jedoch: CEO, die das Unternehmen aus eigener, langjähriger Erfahrung kennen, performen langfristig besser», betont Klaus-Peter Gushurst.
Ungeprüfte Klischees
Der Anteil CEO mit «Amtserfahrung» stieg von 5% (1995) auf 13% (2005). Offenbar verspricht man sich von erfahrenen Unternehmenslenkern deutliche Vorteile. Dabei erbrachten diese global betrachtet nur in einem von acht Jahren eine höhere Leistung als unerfahrene CEO. Im Gesamtdurchschnitt aller Jahre schneiden «geübte» Vorstandsvorsitzende 0,2 Prozentpunkte schlechter ab; beim Dreijahresschnitt im deutschsprachigen Raum von 2003 bis 2005 sogar 8,2 Prozentpunkte.
Ein zweites Klischee betrifft das Abwerben von CEO von einem anderen Konzern. Ihr Anteil verdreifachte sich seit 1995 auf rund 5% aller Wechsel in 2005. Dass dieses wirklich Vorteile mit sich bringt, lässt sich statistisch nicht belegen. Vermutlich beruht dies auf der Annahme, CEO sei eine geradezu «genetische Disposition'». Es ist daher kritisch zu hinterfragen, ob der Kandidat die Branche, in die er als CEO wechseln soll, ausreichend kennt.
CEO scheiden immer jünger aus
Im deutschsprachigen Raum sinkt das Durchschnittsalter von CEO, die ihren Posten verlassen, deutlich; von 58,6 in 2003 auf 54,9 Jahre in 2005. Dagegen steigt es in Europa leicht an: von 55,1 in 2003 auf 56,2 Jahre in 2005. Ein ähnliches Bild ergibt sich für den Amtsantritt bezogen auf den gleichen Zeitraum: im deutschsprachigen Raum ein Absinken von 52,0 auf 45,8 Jahre, das heisst eine komplett neue Generation gelangt in Deutschland in die Führungsposition.
Vier Grundmuster für die CEO Auswahl
Aus der Booz-Allen-Studie ergeben sich für Unternehmen, die einen neuen CEO suchen, vier Grundmuster, die die entsprechenden Gremien beachten sollten:
1. Abwerben eines CEO aus einem anderen Unternehmen: Ob sich Performance wirklich verbessert, ist nicht garantiert. Aber die Vergütungskosten steigen sicher.
2. Einen CEO-unerfahrenen Kandidaten von extern hereinholen: Die Performance verbessert sich nur in den ersten fünf Jahren.
3. Einen ehemaligen CEO an Bord holen: Keine Gewähr, dass sich die Performance besser entwickelt als bei CEO-Neuling; voraussichtlich sinkt die Performance eher nach fünf Jahren.
4. Einen internen Kandidaten zum CEO küren: Die Performance verbessert sich langfristig, allerdings vermutlich kaum in den ersten fünf Jahren.
Die Aufgabe definiert das Profil
Klar ist nach Gushurst: Unterschiedliche Aufgaben verlangen unterschiedliche Profile. Langfristig sollten Aufsichtsräte daher klären, welche Aufgaben für welchen Zeitraum anstehen und dann für die einzelnen Phasen wie etwa Konsolidierung, Restrukturierung und neues Wachstum bereits von vorneherein über den nächsten CEO nachdenken. Konkret: Die Nachfolge wird über mehrere Vorstandslenker hinweg strategisch geplant. Investoren machen dabei künftig ihren Einfluss noch stärker geltend, damit Aufsichtsräte hier eine aktivere Rolle übernehmen. Für Top-Manager heisst das: CEO ist nicht mehr die Krönung am Ende einer Karriere, sondern kann auch eine Durchgangsstation zum nächsten Spitzenposten bedeuten. In jedem Fall gehört das Klischee vom CEO als Alleinherrscher auf Lebenszeit der Vergangenheit an. CEO-Wechselfälle werden die Wirtschaft stärker prägen.
Zur vorliegenden Untersuchung
Booz Allen Hamilton untersuchte in der Studie «CEO Succession 2005» die 2500 weltweit grössten börsennotierten Unternehmen sowie die Entlassungsgründe von 383 CEO. Für den deutschsprachigen Raum wurden ergänzend die 300 grössten Unternehmen in dieser Region untersucht. Es flossen sowohl die Performance der Unternehmen zum Zeitpunkt der Ablösung als auch die Art und Weise des Ausscheidens des CEO ein. Aussagen über Trends und Entwicklungen beziehen sich auf die bereits vorgelegten Booz-Allen-Studien zu CEO-Ablösungen aus den Jahren 1995, 1998 sowie die jährlichen Studien ab 2000.
(pd)
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